Kreatin zum Schutz von neuralem Gewebe
Die vorliegende Erfindung betrifft die Verwendung von Kreatin und/oder dessen biologischen Vorläufersubstanzen oder Metaboli¬ ten zur Herstellung eines Arzneimittels zur therapeutischen Neu¬ roprotektion vor und/oder bei und/oder nach hypoxisch-ischämi¬ schen Zuständen.
Kreatin wird von Säugetieren sowie vom Menschen in der Leber, Niere und Bauchspeicheldrüse aus den biologischen Vorläufersub¬ stanzen Glycin, Arginin und S-Adenosylmethionin synthetisiert oder mit fleischhaltiger Nahrung aufgenommen.
Das synthetisierte oder aufgenommene Kreatin wird zu Phospho- kreatin metabolisiert. Aus Phosphokreatin und Adenosin-Di- phosphat (ADP) entsteht unter Einwirkung der Kreatin-Kinase Ade¬ nosin-Triphosphat (ATP) und Kreatin.
ATP ist der universelle Energieträger jeder Zelle. Zur Synthese von Molekülen, zur Kontraktion der Muskulatur und für den akti¬ ven Transport von Molekülen sind alle Zellen auf ATP angewiesen. In Säugetieren entsteht ATP aus ADP und Phosphat in erster Linie
durch oxidative Phosphorylierung in den Mitochondrien. Notwendi¬ ge Voraussetzung dafür ist ein Sauerstoff-haltiges Milieu.
Bei hohem Energieverbrauch, wie z.B. bei einem Sprint, sinkt die Konzentration des Phosphokreatins in der Muskulatur stark ab, während die Konzentration des ADP gleichzeitig ansteigt. Die ATP-Konzentration bleibt bis zum vollständigen Verbrauch des Phosphokreatins weitgehend konstant und fällt anschließend eben¬ falls rapide ab.
Die Funktion des Kreatins bzw. Phosphokreatins als Energiereser¬ ve liegt in der Vorratshaltung von energiereichem Phosphat für Phasen, in denen ein hoher Energiebedarf im Körper nicht oder nicht ausreichend schnell durch eine Steigerung der oxidativen Phosphorylierung gedeckt werden kann. Deshalb kommt Phosphokrea- tin besonders in den Geweben vor, die einen hohen Energieumsatz haben. Beim Menschen sind dies vorwiegend die Muskulatur und das Gehirn, wo hohe Konzentrationen an Kreatin-Kinase vorliegen. Das Kreatin/Phosphokreatin/Kreatin-Kinase-System stellt während der Synthese und des Verbrauchs von ATP ein energiereiches Phosphat- Puffersystem dar. Kreatin wird daher auch zur Leistungssteige¬ rung bei Sportlern eingesetzt.
Aus Untersuchungen von Holtzmann et al. (Brain Research 483 (1989) 68-77) ist bekannt, daß ein Sauerstoffmangel des Gehirns, wie zum Beispiel bei pathophysiologischen Veränderungen oder Apoplexie gegeben, das rapide Verschwinden von Kreatin/Phospho- kreatin, ATP und anderen energiereichen Phosphaten zur Folge hat. In der obengenannten Publikation werden zwei Reservoirs für Phosphokreatin im Gehirn postuliert, eines zur Reserve bei meta- bolischem Streß und das zweite zur Verwendung unter ischämischen Bedingungen.
Im Stand der Technik wurden extrem niedrige Kreatin-Konzentra- tionen unter anderem in Gehirntumoren (Gliom, Astrocytom und Me- ningiom; vgl. Frahm et al., J. Comput. Assist. Tomogr. 15 (1991)
915-922) und bei drei Kindern mit einer zu schweren strukturellen und metabolischen Veränderungen der weißen Hirn¬ substanz führenden Enzephalopathie (vgl. Hanefeld et al. , Neuro- pediatrics 24 (1993) 244-248) beobachtet.
Mit Hilfe der Kernspintomographie (Kernspinspektroskopie, MRS) ist es möglich, Kreatin bzw. Phosphokreatin im Gehirn nachzu¬ weisen. Es ist bekannt, daß bei Durchblutungsstörungen bzw. Sauerstoffmangel im Hirngewebe innerhalb von Minuten bzw. Stun¬ den nach Wiederherstellung der Blutzirkulation und Sauerstoff¬ versorgung das Kreatin/Phosphokreatinsignal wieder erkennbar ist (vgl. Hope et al. , J. Neurochem. 49 (1987) 75-82). Das unter Hypoxie hohe MRS-Signal für anorganisches Phosphat verschwindet ebenfalls wieder. Ist der ursprüngliche Insult jedoch zu schwer, so bricht die Homöostase im Gehirn nach 16 bis 24 Stunden erneut zusammen, was als "second energy failure" bezeichnet wird. Die¬ ser Zustand ist mit einem irreversiblen Gewebsuntergang mit allen seinen klinischen Folgen verbunden.
Es ist bekannt, daß 15 % aller Todesfälle eine Apoplexie, d.h. eine zu Sauerstoffmangel im Gehirn führende Kreislaufstörung, zugrundeliegt (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 255. Auflage, Verlag W. de Gruyter, Berlin/New York 1986, S. 105).
Bei hypoxisch geschädigten Säuglingen wird im Stand der Technik versucht, neben der Restauration der Blutzirkulation und Sauer¬ stoffVersorgung des Zentralnervensystems (ZNS) eine Organprotek¬ tion auf medikamentösem Wege zu erreichen, z.B. durch Gabe von Magnesiumpräparaten, Vitamin E oder von Antioxidantien. Diese Therapien sind über Einzelbeobachtungen, Überlegungen und erste experimentelle Ansätze hinaus nicht weiter erprobt worden. Wis¬ senschaftlich belegte Erfolge sind bisher nicht publiziert.
Im Stand der Technik gibt es keine Hinweise dafür, wie bei hypo¬ xisch-ischämischen Insulten des Gehirns eine effektive Organo- protektion erfolgen kann. Insbesondere gibt es bislang keine
Möglichkeit, bei besonders schweren Insulten das Auftreten eines "second energy failure" wirksam zu verhindern.
Bei hypoxisch-ischämischen Zuständen, beispielsweise prae-, peri- und postnataler Hypoxie bei Säuglingen und Sauerstoffman¬ gelzuständen des Gehirns im späteren Leben, z.B. Apoplexie, sowie infolge neurotoxischer Unfälle, im Zusammenhang mit Ent¬ zündungen oder bei epileptischen Anfällen stehen bislang prak¬ tisch keine wirksamen Mittel bzw. keine therapeutischen Ansätze zur Neuroprotektion, d.h. zum Schutz des Gehirns bzw. der Ner¬ venzellen vor irreversiblen Schäden oder Gewebsuntergang, zur Verfügung.
Wittingham und Lipton fanden, daß Anoxie die neuronale Aktivität im Säugergehirn hemmt (Wittingham et al., J. Neurochem. 37(6) (1981) 1618-1621; Lipton et al. , J. Physiol. 325 (1982) 51-65). Durch in vitro Untersuchungen an Gewebsschnitten des Hippocampus des Meerschweinchens konnte gezeigt werden, daß sich unter hypo- xischen Verhältnissen die Fähigkeit zur synaptischen Transmis¬ sion verlängern lässt, wenn dem Gewebsbad Kreatin zugefügt wird. Im Zusammenhang mit diesen Ergebnissen wird ferner auf Untersu¬ chungen von Woznicki et al. verwiesen (J. Neurochem. 34 (1980) 1247-1253), die sich mit der Erholung von ischämisch-hypoxischen Zuständen bei Mäusen befaßten. Den Versuchstieren wurde zunächst über einen Zeitraum von 40 bis 60 Tagen Cyclokreatin, ein Krea- tin-Analogon, oral verabreicht, das sich im Gehirn akkumulierte. Die Ischämie wurde im folgenden durch Dekapitation erzeugt, wobei nachgewiesen werden konnte, daß Phosphokreatin nach etwa einer Minute verbraucht war, während Cyclokreatinphosphat noch bis zu vier Minuten nach Ischämie nachgewiesen werden konnte. Die Autoren kamen zu dem Schluß, daß aus den vorliegenden Unter¬ suchungen keine Rückschlüsse darauf möglich sind, ob Nervenzel¬ len, die Cyclokreatinphosphat enthalten, ischämisch-hypoxische Episoden besser überstehen können als unbehandelte Nervenzel¬ len oder sich davon erholen.
Ein hypoxisch-ischämischer Zustand ist biochemisch im Blut durch das Absinken der SauerstoffSättigung bei gleichzeitigem Anstieg des C02 Gehaltes und Azidose (Absinken des pH unter 7,25) defi¬ niert. Als Folge hiervon kommt es z. B. zu einem vermehrten Einstrom von Kalzium in die Zelle, was eine Störung der Zell¬ funktionen und eine Instabilität der Zellorganellen bewirkt.
Bei hypoxisch-ischämischen Zuständen entstehen somit Gewebeschä¬ digungen als Folge eines allgemeinen Sauerstoffmangels oder einer generalisierten oder lokalen Verminderung der Durchblu¬ tung. Die Gewebeschädigung wird im Gehirn als hypoxisch-ischämi- sche Enzephalopathie bezeichnet.
Aufgabe der Erfindung ist es, ein Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, das geeignet ist, Sauerstoffmangelschäden vorzubeugen (Prophylaxe) und die Schädigung von neuralem Gewebe während bzw. nach hypoxisch-ischämischen Zuständen zu verhindern, bzw. die Regeneration von geschädigtem Gewebe zu beschleunigen und da¬ durch die Bildung größerer Läsionen und/oder eines "second ener¬ gy failure" zu verhindern.
Es hat sich überraschend gezeigt, daß diese Aufgabe mit einem Arzneimittel gelöst werden kann, das als Wirkstoff Kreatin und/- oder dessen biologische Vorläufersubstanzen oder Metaboliten enthält.
Unter den Begriff Vorläufersubstanzen fallen in diesem Zusammen¬ hang die bei der in der Leber bzw. Bauchspeicheldrüse stattfin¬ denden Kreatin-Biosynthese beteiligten Substrate, d.h. Glycin, Arginin, Guanidinacetat und Adenosylmethionin. Ein Metabolit des Kreatins ist beispielsweise das Phosphokreatin.
Die therapeutische Neuroprotektion hat das Ziel, den Energiesta¬ tus von neuralem Gewebe zu verbessern, um es vor den Folgen eines hypoxisch-ischämischen Zustandes zu schützen. Dadurch wird auch die Toleranz gegenüber Sauerstoffmangelzuständen vergrö-
ßert. Ein verbesserter Energiestatus zeigt sich daran, daß der Phosphokreatin-Spiegel einer Person im neuralen Gewebe konstant auf einem für diese Person typischen Basiswert liegt.
Der Basiswert des Kreatin-Spiegels im Hirn von gesunden, erwach¬ senen Personen wurde mittels Protonen-MRS bestimmt und schwankt zwischen 3,5 und 10,0 mM je nach Person und gemessener Hirnre¬ gion.
Im Rahmen der vorliegenden Erfindung kann das Arzneimittel zur oralen, intravenösen oder intramuskulären Verabreichung formu¬ liert sein, und die Applikation kann zeitlich vor und/oder gleichzeitig mit und/oder nach dem initialen hypoxisch-ischämi¬ schen Zustand erfolgen. In einer bevorzugten Ausführungsform wird das Kreatin als Kreatinmonohydrat in Pulverform verkapselt prophylaktisch verabreicht, um hypoxisch-ischämischen Zuständen vorzubeugen, bzw. die Entstehung einer entsprechenden Situation zu vermeiden.
Die Erfindung betrifft ferner ein Verfahren zur Therapie oder Prophylaxe von hypoxisch-ischämischen Zuständen beim Menschen, bei dem man den Betroffenen ein Arzneimittel, das Kreatin und/- oder dessen biologischen Vorläufersubstanzen oder Metaboliten enthält, in einer wirksamen Dosis verabreicht.
Die einzunehmende Kreatinmenge bestimmt sich nach dem Körper¬ gewicht des Patienten und nach dem Ausmaß des hypoxisch-ischämi¬ schen Insultes. In einer bevorzugten Ausführungsform wird zur Behandlung von Erwachsenen eine Dosis von 1 bis 20 g pro Tag, besonders bevorzugt 2 bis 10 g pro Tag, gegeben. Darreichungs- form und Menge können vom Fachmann variiert werden, ohne dabei vom Gegenstand der Erfindung abzuweichen.
Eine nicht vollständige Liste der Ursachen des hypoxisch-ischä¬ mischen Zustandes umfaßt Apoplexie, neurochirurgische Eingriffe, neurotoxische Unfälle, Entzündungen, Sekundärfolgen eines Schä-
delhirntraumas, epileptische Anfälle, Ertrinkungs- und Erstik- kungsanfälle oder Komplikationen beim Fetus bzw. Neugeborenen. Hinzu kommen metabolische Krisen und neurometabolische sowie neurodegenerative Erkrankungen. Hierher gehören auch die Prophy¬ laxe und Therapie chronischer entzündlicher Vorgänge ein¬ schließlich des Morbus Parkinson und der Alzheimer Erkrankung.
Die Verwendung von Kreatin als pharmakologischer Wirkstoff, d.h. der therapeutische Einsatz in vivo, wurde bislang erst in einem Fall beschrieben (Stöckler et al., Pediatric Research 36(3) (1994) 409-413). Dabei handelte es sich um ein Kind mit angebo¬ renem Kreatinmangel im Gehirn, welches durch Supplementierung von Kreatin therapiert werden konnte.
Im Rahmen der vorliegenden Erfindung konnte überraschenderweise erstmals gezeigt werden, daß die Verwendung von Kreatin und/oder dessen biologischen Vorläufersubstanzen oder Metaboliten zur Herstellung eines Arzneimittels zur therapeutischen Neuroprotek¬ tion vor und/oder während und/oder nach hypoxisch-ischämischen Zuständen geeignet ist. In vorteilhafter Weise schützt es das Gehirn vor Gewebsuntergang, da Energiemangel während eines hypo¬ xisch-ischämischen Zustandes verhindert, bzw. second energy failure-Zustände wirksam unterdrückt werden können. Bei dem er¬ findungsgemäß unter Verwendung von Kreatin hergestellten Arznei¬ mittel handelt es sich somit auch um ein Arzneimittel zur pro¬ phylaktischen Behandlung von Hirngewebsschäden infolge hypo- xisch-ischämischer Insulte.
Die folgenden experimentellen Ergebnisse belegen die neuropro- tektive Wirkung einer Kreatin-Supplementierung:
Beispiel 1: Kreatin-Supplementierung
1.1 ATP- und Phosphokreatin-Konzentration nach Kreatin-Supple¬ mentierung:
In dieser Versuchsreihe wurden Mäuse während der letzten 10 Tage der Gestation mit Kreatin supplementiert und anschlie¬ ßend wurde der ATP- und der Phosphokreatin-Gehalt in Hirn¬ stamm-Schnitten von Nachkommen dieser Mäuse untersucht. Die Bestimmung des Phosphokreatin- und ATP-Gehaltes erfolgte mittels einer enzymatischen Analyse (Lamprecht et al., Krea- tinphophat, Methoden der enzymatischen Analyse, Hrsgb. Berg¬ meyer, H. U., Verlag Chemie, Weinheim, 1974, Bd. 2, S. 1825-1829) .
Zusätzlich wurde die rhythmische Aktivität eines intakten Regelkreises aus isolierten hypoglossalen Nerven-Wurzeln und von Neuronen aus dem Bereich des pre-Bötzinger-Komplexes unter Verwendung des "Ganz-Zellen-Patch-Verfahrens" gemessen (vgl. Ramirez et al. , Postnatal Changes in the Mammalian Respiratory Network as revealed by the Transverse Brainstem Slice of Mice, J. Physiol., Vol. 491 ( 3 , . S. 788-811, [1996] und Smith et al., Pre-Bötzinger Complex: A brainstem region that may generate respiratory rhythm in mammals, Science, Vol. 254., S. 726-729 [1991]).
Im einzelnen wurden Gewebeschnitte von Tieren untersucht, die zuvor nach einem der folgenden Protokolle behandelt worden waren:
(a) Gewebeschnitte von Nachkommen von Mäusen, die für 10 Tage mit 2 g/kg/Tag Kreatin supplementiert worden waren (n=8), sowie von Nachkommen nicht-supplementier- ter Tiere (n=16);
(b) Gewebeschnitte von Nachkommen nicht-supplementierter Tiere, wobei die Gewebeschnitte für 3 Stunden in einer 200 μM Kreatin-Lösung inkubiert wurden (n=22), sowie von Kontrollen (n=22), die nicht in Kreatin inkubiert wurden; und
(c) Gewebeschnitte von Nachkommen nicht-supplementierter Tiere, wobei die Gewebeschnitte nach einer 3 stündigen Inkubation in einer 200 μM Kreatin-Lösung einer 30 minütigen Anoxie ausgesetzt wurden (n=22), sowie von Kontrollen (n=22), die keiner Anoxie ausgesetzt wurden. Anoxie wurde induziert, indem die Hirnstamm-Gewebe¬ schnitte in CSF ( "cerebrospinal fluid" entspricht Li¬ quor cerebrospinalis) gelagert wurden, welcher mit 95 % N2 und 5 % C02 (pH 7,4) begast wurde.
Die Ergebnisse des obigen Versuchs sind in Abbildung 1 auf¬ geführt (wobei die mit (a), (b) und (c) bezeichneten Blöcke jeweils dem oben beschriebenen Behandlungsprotokoll entspre¬ chen) und in der nachfolgenden Tabelle zusammengefaßt:
ATP und Phosphokreatin in μMol/g Feuchtgewicht
ATP
Phosphokreatin
1.2 Neuronale Reaktion auf Anoxie nach Kreatin-Supplementierung:
Die Reaktion der Atmung auf Hypoxie wurde an Hirnstamm- Schnitten von Nachkommen (n = 30) von Mäusen untersucht, die mit Kreatin supplementiert worden waren (2 g/kg/Tag) (supp- lementierte Gruppe), sowie an Schnitten von nicht-supple- mentierten Tieren, die für 3 Stunden in einer Kreatin ent¬ haltenden Lösung (200 μM) inkubiert wurden. Dabei wurde die rhythmische Aktivität eines intakten Regelkreises aus iso¬ lierten hypoglossalen Wurzeln und von Neuronen aus dem Be¬ reich des pre-Bötzinger-Komplexes zu verschiedenen postnata- len Stadien (zwischen Tag 0 und 13) unter Verwendung des "Ganz-Zellen-Patch-Verfahrens" bestimmt (vgl. Hille und Bertil, Ionic Channels of excitable membranes, Sinauer Asso- ciation [1992]). Für eine Dauer von 30 Minuten wurde Anoxie induziert, indem die Hirnstamm-Gewebeschnitte in CSF gela¬ gert wurden, welches mit 95 % N2 und 5 % C02 (pH 7,4) begast wurde. Die zelluläre Antwort während der hypoxischen Augmen¬ tation, hypoxischen Depression (nach 20 Minuten) und 10 Mi¬ nuten nach dem Ende der Anoxie (Erholung) wurde als Ampli¬ tude der neuronalen Entladung (in mV) gemessen, bzw. die prozentuale Abweichung vom Normalwert wurde bestimmt.
Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe sind in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt.
In Kreatin-behandelten neonatalen Tieren zeigte die motori¬ sche Aktivität von Nervus XII erhöhte Synchronisation wäh¬ rend der Entladung der respiratorischen Nerven. In neonata¬ len Tieren (Tage 0-5) wechselte die Amplitude und die Dauer der Entladung respiratorischer Neuronen während der Augmen¬ tation von +14 % (Kontrollen) auf +40,5 % (supplementierte Gruppe) und von +3 % auf +37,2 % respektive. In den reifen Kontrolltieren (Tage 6-13) stieg die Amplitude der Entladung und die Zeitdauer um durchschnitlich +11,8 % und +14,4 %. In Schnitten supplementierter Tiere betrug die Steigerung
+47,3 % und +21,2 %. Alle mit Kreatin behandelten Schnitte von reifen Tieren erholten sich schneller von der Anoxie als nicht-behandelte Schnitte.
1.3 Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefaßt werden:
► Eine orale Aufnahme von Kreatin kann den Gehalt des als Energiereserve in Nervenzellen vorliegenden Phospho¬ kreatins deutlich erhöhen. Das Kreatin kann die Plazen¬ ta passieren; eine Supplementierung der Mutter führt somit zu einem erhöhten Phosphokreatin-Gehalt im neuro¬ nalen Gewebe des Embryo.
► Die Supplementierung mit Kreatin führt nur zu einer geringfügigen Steigerung des ATP-Gehalts in neuralem Gewebe.
► Während eines hypoxischen Zustandes ist der Gehalt an ATP und Phosphokreatin in Schnitt-Präparationen, die mit Kreatin behandelt wurden, deutlich und länger er¬ höht als in unbehandelten Vergleichsschnitten.
** Der erhöhte Phosphokreatin- und ATP-Gehalt führt zu einer gesteigerten und verlängerten Augmentationsreak¬ tion. Die Schnitt-Präparate von mit Kreatin behandelten Tieren erholten sich schneller als die Präparate der unbehandelten Tiere.
Die Ergebnisse zeigen somit eindeutig, daß Kreatin bei Hypoxie eine neuroprotektive Wirkung aufweist und die Verwendung von Kreatin zur Prophylaxe gegen und Therapie von hypoxisch-ischämi¬ schen Zuständen geeignet ist.
Beispiel 2: Herstellung von Kreatin enthaltenden Arzneimitteln
A Pulver:
Kreatin-Monohydrat wird mit 0,5% Magnesiumstearat und 0,5% Aerosil 200 vermischt und in Dosen, Gläser oder Sachets gefüllt.
B Trinkgranulat:
Eine Mischung aus Kreatin-Monohydrat mit 3% Polyvinyl¬ pyrrolidon wird in einem Hochleistungsmischer unter Ethanolzugabe granuliert.
Nach Trocknung und Siebung wird das Granulat mit 0,5% Aerosil 200 und 0,5% Magnesiumstearat vermischt und in Dosen, Gläser oder Sachets gefüllt
C Brausetabletten
1 Teil Kreatin-Monohydrat wird mit 0,5 Teilen Natrium- hydrogencarbonat und 0,5 Teilen Citronensäureanhydrat vermischt und anschließend mit Hilfe eines Kompaktors trocken granuliert.
Es werden 1 Teil Sorbit und 0,15 Teile Polyethylengly- kol 6000 dazu gegeben worauf erneut gemischt wird. Die pressfertige Mischung wird bei 25 °C und 30% relativer Feuchtigkeit zu Brausetabletten verarbeitet.
D Parenterale Form
1,3 Teile Kreatin-Monohydrat und 0,8 Teile Natriumchlo¬ rid werden unter aseptischen Bedingungen in 100 Teilen Wasser für Injektionszwecke gelöst. Die Lösung wird steril filtriert und unter Reinraumbedingungen in Infu¬ sionsflaschen gefüllt.